Wandergogik ist ein Wortspiel aus Wandern und Pädagogik und umfasst das pädagogisch ausgerichtete Wandern mit Gruppen in der Natur. Dabei ist einzig und allein das Wortspiel neu. Seit jeher gehen Menschen aus pädagogischen Gründen mit ihren jeweiligen Zielgruppen, Klienten, Schützlingen, Kindern, Jugendlichen und Schülern wandern.
Diese erlebnispädagogische Art der Wandergogik mit Gruppen zu arbeiten hat viele Vorteile: mit Gruppen kommen auch Rollen, Muster, Wertvorstellungen und Beziehungen in Bewegung. Beim Wandern gehen Kleingruppen nebeneinander oder man kann auch ein Stück allein gehen. Soviel zum Thema Gruppengröße. Die gemeinsame Blickrichtung ist nach vorne und auf dem Weg gerichtet. Uns begegnen vielfältige Metaphern, die pädagogisch aufgegriffen werden können: Abbiegung, Abkürzung, Umweg, Kreuzung, Weggabelung, Markierung, Orientierung.
Was hat Pädagogik mit Wandern denn gemeinsam?
Wandern eignet sich sehr gut, um deine Themen, deine Inhalte, deine Zielgruppen und deine Haltungen in einem pädagogischen Lernsetting zusammen zu spannen. Und die Verbindung aus Pädagogik und Wandern ist eine oft genutzte, beliebte und auch schlüssige Form, mit Gruppen zu arbeiten. Der Begriff Wandergogik nimmt diese beiden Begriffe auf.
Aber zuerst mal ganz von vorne – wie ist Wandern eigentlich entstanden?
Walz der Gesellen. Weitere Abgrenzungen bestehen zum Spazierengehen, dem Flanieren und dem Vagabundieren. Pierre Henri de Valenciennes, ein Landschaftsmaler des 18. Jahrhunderts schrieb ein Buch, in dem er seinen Kollegen aus der Kunst nahelegt zu gehen, wie Rousseau es in seinem Bildungsroman Emil beschreibt. Also nicht von A nach B, sondern der Prozess wird wichtig. Dazu gibt es eine höcht interessante Podiumsdiskussion anläßlich der Ausstellung „Wanderlust“ 2018 in der alten Nationalgalerie in Deutschland mit Dr. Claudia Denk, Dr. Frank Matthias Kammel, Dr. Peter-Klaus Schuster und Dr. Birgit Verwiebe.
Die Wandervogelbewegung nimmt Fahrt auf
Im 19. Jahrhundert ist das Wandern ein wichtiges Motiv in der Malerei und Ende des 19. Jahrhunderts entsteht die erste Jugendrevolte: die Wandervogelbewegung. Jugendliche ließen sich nicht wie bei der zweiten Jugendrevolte der 1968er die Haare wachsen, sondern zogen mit der Gitarre durch das Land, suchten Naturräume auf und gestalteten so ihre Freizeit nach ihrem Sinn. Auch Lehrer waren Teil der Wandervogelbewegung und so kann man hier erste Verbindungen zwischen der Pädagogik und dem Wandern erkennen. Die Reformpädagogik ist dabei ein wichtiger Motor und das Wandern wird eine Form der gemeinsamen Gruppenaktivität. Auch die Hitlerjugend erkannte die Vorteile des Wanderns für ihre unrühmlichen Zwecke. Auch in Wanderliedern hört man Metaphern, Querverbindungen zum Leben und pädagogische Noten heraus.
Heute wird man das pädagogische Wandern vor allem der Erlebnispädagogik zuordnen, die ebenfalls ihre Wurzeln in der Reformpädagogik hat. Eine Gruppenwanderung im Sinne der Wandergogik ist also weit mehr als eine Gehstrecke von A nach B zu bewältigen.
Das Tempo bestimmt die Gruppe – ein Spannungsfeld entsteht
im Gruppenalltag: auch hier finden sich beim gemeinsamen Arbeiten, Lernen, und Zusammensein unterschiedliche Geschwindigkeiten. Bei diesem Spannungsfeld als Gruppe einen Umgang zu finden ist eine Notwendigkeit für alle funktionierenden Gruppen und Teams. Das wird beim gemeinsamen Wandern sehr wohl deutlich sichtbar und kann daher auch thematisiert werden.
Wandern ist eine natürliche Geschwindigkeit, um von A nach B zu kommen und der Blick erfasst auch Details am Wegrand und in der Ferne, die bei einer schnellen, passiven Fortbewegung nicht mehr wahrgenommen werden. Außerdem verleiht die Möglichkeit jederzeit stehenzubleiben eine Selbstermächtigung und man wird nicht mehr passiv von A nach B transportiert, sondern kann unmittelbar und jederzeit sofort stoppen, um etwas zu betrachten oder zu genießen.
Verpflegung – ein wichtiges Detail der Gruppenplanung
Das nährende Element gehört zu den Grundbedürfnissen des Menschen: Essen! Und es soll natürlich auch schmecken. Beim Wandern stellt die Versorgung einer Gruppe einige Fragen und Herausforderungen dar, die ebenfalls Teil der pädagogischen Arbeit sind. Die Verpflegung hat ein nicht unerhebliches Gewicht und es stellen sich Verteilungsfragen in der Gruppe. In der Planung stellt sich die Frage, an welchen Orten wir uns verpflegen und Wasser nachfüllen können. Wenn die Wanderung mehr als einen Tag dauert, kommt vielleicht noch das Thema von warmen Speisen oder Heißgetränken und damit Fragen rund um eine Kochmöglichkeit hinzu.
Wohin genau geht es überhaupt?
s und GPS-Gerät sind nicht nur Orientierungsmittel bei der Wanderung, sondern auch ein Sinnbild für Orientierung zu einer gewissen Fragestellung oder auch der Orientierung im Leben etc.! Einige Modelle, die eine Vielheit an Ausrichtungen, Intentionen etc anbieten, verwenden das Bild des Kompass. (zum Beispiel Ratio, Emotion, Handlung, Spirtitualität). Wichtige Modelle der Organisationsberatung haben den Kompass sogar im Namen, wie den Organisationskompass von Isabella Klien
Die Vorbereitung als Schlüsselelement
Sich vorbereiten, Planen, Ausrüsten. Ein Abwägen von Nützlichkeit und Gewicht. Rüstzeug für die Zukunft. In der Erlebnispädagogik gibt es insbesondere das Bild von einem Schiff, das fertig ausgerüstet und getakelt so am Steg liegt, dass es zur Abfahrt bereit ist. Das Schiff liegt im Englischen „outward bound“. So sollen auch die Jugendlichen bei ihrem Übertritt ins Erwachsenenalter sein: Vorbereitet und bestens ausgestattet für das Leben, wie auch für eine große Reise. Eine der größten erlebnispädagogischen Organisationen trägt auch diesen Namen: Outward Bound.
Weitere Informationen zum Begriff Wandergogik und unserer Idee, was hinter dem Begriff noch so alles steckt, kannst du hier nachlesen.